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Kriege ohne Ende. Amen.
Kolumne von Mumia Abu-Jamal


"Jeder weiß, daß Politiker routinemäßig zu Übertreibungen und Verzerrungen neigen und daß sie Versprechen abgeben, von denen sie selber nur zu gut wissen, daß sie diese nicht halten können. Woodrom Wilson versprach 1912 in seinem Präsidentschaftswahlkampf, die USA aus dem Ersten Weltkrieg herauszuhalten. Franklin Delano Roosevelt war 1940 während seines Wahlkampfes vorsichtig genug, nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, als wollte er sein Land auf der Seite der Briten in den Zweiten Weltkrieg führen. Lyndon Johnson versprach 1964, daß in Vietnam keine American Boys sterben würden. Waren sie erst gewählt, dann führten alle diese Präsidenten die USA in Kriege, in denen Hunderttausende junger amerikanischer Soldaten starben."
John Stockwell, The Praetorian Guard, Boston 1991

Indem die Regierung unter George W. Bush öffentlich erklärt, daß der "Krieg gegen den Terrorismus" ein "open end" haben werde, treten wir in den USA in einen langen, repressiven Kriegszyklus ein. Dahinter steht eine Haltung, die suggeriert, daß die Geschichte der USA als zyklisch angesehen werden könnte, in der sich Perioden unsicheren Friedens mit denen heißer Kriege abgewechselt haben.

Kriege unterliegen genau wie andere Bereiche menschlichen Strebens ökonomischen Zwängen, in denen sich die Interessen jener Segmente der Gesellschaft widerspiegeln, die Profite aus Kriegen schlagen. Während Soldaten und Zivilisten ihr Leben verlieren, boomen viele Wirtschaftszweige. Für diese Unternehmen ist Krieg - vor allem in Zeiten einer Kriegsökonomie - schlicht und einfach ein gutes Geschäft. Waffenhändler lieben Kriegsstürme. Lebensmittelhersteller lieben den Krieg, weil dann größere Vorräte angelegt werden. Viele Konzerne sehen Kriege als Vorboten "besserer Zeiten".

Auch auf die Gefahr hin, Phrasen zu dreschen: "Geld ist die Wurzel aller Kriege". Als Japan die Mandschurei besetzte, geschah das nicht deshalb, weil die Japaner "böse" sind. Sie führten diesen Krieg, weil sie Rohstoffe brauchten, die ihnen in der Heimat fehlten.

Die Iraker marschierten nicht in Kuweit ein, weil sie "böse" sind, sondern weil der Zugriff auf Kuweit es ihnen ermöglicht hätte, ihre Ölvorräte zu verdoppeln.
Jeder Krieg hat einen ökonomischen Unterbau, der im Verborgenen bleibt. Der Krieg ist ein Mittel der Außen- und Wirtschaftspolitik. Welche Außenpolitik betreiben die USA? Der Wissenschaftler Jerry Fresia schrieb 1988 in seinem Buch "Towards an American Revolution":

"1959 gab George Kennan, Chef der Planungsabteilung im Außenministerium, lateinamerikanischen Botschaftern eine kurze Unterweisung, in der er sagte, die Außenpolitik müsse ihr Hauptaugenmerk auf ‚die Sicherung der Rohstoffe' richten. Im weitesten Sinne machen es alle Materialien und menschlichen Ressourcen, die rechtmäßig ‚unser' sind, erforderlich, daß wir gegen eine gefährliche Ketzerei kämpfen, die in Lateinamerika virulent ist, vor allem ‚die Vorstellung, daß die Regierung eine direkte Verantwortung für das Wohlergehen der Bevölkerung trägt.'"

Wenn jemand erzählt, daß es der amerikanischen Außenpolitik darum gehe, "die Demokratie zu verbreiten" oder "die Freiheit zu retten" oder etwas Ähnliches, dann erinnert euch an Kennans Enthüllung. Er sagt, worum es wirklich geht.

Krieg ist in der Tat die Hölle - für die einen. Für die anderen ist er ein großes und blühendes Geschäft.

Übersetzung: Jürgen Heiser Erschienen in der Berliner Tageszeitung junge Welt Die Kolumnen von Mumia Abu-Jamal erscheinen jeweils in der Wochenendausgabe der Tageszeitung junge Welt.