Während sich Organisatoren, Aktivisten und Referenten in Durban, Südafrika, zur UNO-Konferenz gegen Rassismus zusammenfinden, zieht die US-Regierung sich schmollend zurück und erlaubt ihrem hochrangigsten Afroamerikaner nicht, an der Konferenz teilzunehmen. Colin Powell, das erste schwarze Regierungsmitglied (Secretary of State, also Außenminister) der USA wird nicht anwesend sein, weil die internationale Konferenz sich nicht damit abgefunden hat, einer zuvor aufgestellten Forderung der USA zu entsprechen, anti-zionistische Formulierungen aus den Konferenzdokumnetne herauszuhalten. Man fragt sich natürlich dabei, ob Powell eigentlich ein designierter Außenminister Israels ist.
Einige der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisationen (NGO) und Bürgerrechts-gruppen reagierten schockiert und bestürzt, daß General Powell an dieser ersten Konferenz seit Jahrzehnten nicht teilnehmen würde. Diese Reaktion ist ein Zeichen von politischer Naivität. Powell ist nicht der Außenminister Afro-Amerikas und wird es niemals sein. Er ist Repräsentant der Exekutive der US-Regierung. Und so, wie er schon sein ganzen Berufsleben lang als Militär gehandelt hat, folgt dieser General einfach den Befehlen, die er erhält, auch wenn er vielleicht nicht mit ihnen einverstanden ist. Nach Jahrzehnten der Unterwerfung unter höchste Befehle, in Vietnam, im Irak oder auf dem Balkan zu töten, ist der Befehl, der UNO-Konferenz fernzubleiben, auch wenn sie gegen Rassismus gerichtet ist, relativ einfach zu befolgen.
Wenn man sich die seit zweihundert Jahren andauernden und tiefgehenden Bestrebungen schwarzer Amerikaner ansieht, nationale Unabhängigkeit vom weißen rassistischen Zentralstaat zu erlangen, dann tauchen zwei Figuren auf, die auf schätzenswerte Weise die Funktion als de facto Außenminster einer afroamerikanischen Nation ausgefüllt haben: Der eine ist Malcolm X (nach seiner Trennung von der Nation of Islam), der andere Eldridge Cleaver (vor seiner Trennung von der Black Panther Party). Malcolm X' historische Afrikareise ist immer noch der Stoff für Legenden. Er ist in den 60er Jahren von nord- und westafrikanischen Staaten wie ein Regierungsoberhaupt empfangen worden.
Als Eldridge Cleaver die "Intercommunal Section" (das Internationale Büro) der Black Panther Party an Algier leitete, wurde seine Stimme, die die Stimme des militanten Afro-Amerika und des revolutionären Widerstandes gegen den US-Imperialismus war, weltweit gehört. Die Berichte der Parteizeitung "The Black Panther" und Eldridges beharrlich militante Botschaften und Verlautbarungen drehten sich um Themen, die die internationale Situation betrafen.
Keiner der beiden Männer konnte als Emissär der imperialistischen USA mißverstanden werden. Mit jeder Faser ihres Lebens befanden sie sich in Opposition dagegen. Beiden war ihre historische Rolle nicht durch den Dienst für ihre Herren zugefallen, sondern durch den langen und harten Dienst für Organisationen, die die verschiedenen nationalistischen Strömungen der afroamerikanischen Gemeinschaft repräsentierten. Beide Männer waren durch die Eingeweide der USA, das Gefängnissystem, hindurchgegangen und sprachen deshalb mit einer Eloquenz und Leidenschaft, die man nicht in den parfümierten Salons höherer Bildungseinrichtungen und akademischer Laufbahnen erlernt. Sie sprachen aus dem Herzen, sprachen über das, was sie tief in ihrem Inneren über das Leben am Rande der amerikanischen Gesellschaft wußten.
Stellt euch vor, was das für eine UNO-Weltkonferenz gegen Rassismus wäre, auf der ein Malcolm X oder ein Eldridge Cleaver wahre Worte über die Machtverhältnisse und den Widerstand gegen das Empire gesprochen hätten! Wer würde sich dann noch um irgendeinen Regierungsvertreter scheren?
Wie viele bedeutende Bewegungen in der Menschheitsgeschichte sind denn von Regierungen initiiert worden? Aber wie viele sind unterdrückt und zur Auflösung gebracht worden? Die großen Bewegungen unserer Zeit entstehen nicht durch Regierungen, sondern nur unabhängig von ihnen oder in scharfer Opposition gegen sie!
Zu ihrer Zeit wurde die Abolitionisten-Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei als "verrückt" angesehen und Abraham Lincoln machte Scherze über sie, daß er sie alle über den Haufen schießen lassen würde.
Die Suffragetten der Frauenbewegung wurden zu ihrer Zeit überall als eine Bande "verrückter Weiber" lächerlich gemacht, die nicht mehr wüßten, wo sie hingehören: an den häuslichen Herd.
Die Bürgerrechts-, Antikriegs- und Schwarze Befreiungsbewegung waren allesamt Zielscheiben staatlicher Repression, geheimdienstlicher Ausforschung und gewaltsamer Angriffe. Sie waren Bewegungen des Volkes - und nicht der Regierung. Und genau deshalb hatten sie auch Bedeutung und wurden zu einer Kraft in den Herzen der Menschen.
Die UNO-Konferenz wird ein Erfolg sein, nicht etwa wegen dem, was irgendwelche Regierungen tun, sondern wegen der weltumspannenden Organisierung der Aktivisten, die sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede der Völker sehen, die unter verschiedenartigen repressiven Systemen in verschiedenen teilen der Welt leben. Ohne die aus den Herzen der Menschen kommende Unterstützung kann eine solche Konferenz niemals ein Erfolg werden. Mit ihr kann sie niemals scheitern.
Darüber hinaus kann kein Empire, ganz egal, welche Hautfarbe seine Emissäre haben, sich dem Sinnen und Trachten der Mehrheit der Völker auf der Welt entgegenstellen.
Wäre Kuba nicht gewesen, wäre das weiße Apartheidsystem in Jo'Burg, Südafrika, immer noch an der Macht. Mandela würde immer noch auf der Gefängnisinsel Robben Island schmoren. Und die US-Regierung würde immer noch sagen , daß "konstruktives Engagement" der einzige Weg sei, sich mit dem Rassistenregime auseinanderzusetzen. Volks-und Basisbewegungen, gekoppelt mit dem verwegenen militärischen Einsatz Kubas im Südlichen Afrika, haben dieses grauenhafte Machtgefüge verändert. Wir täten gut daran, uns unserer Geschichte zu erinnern!
Übersetzung: Jürgen Heiser Erschienen in der Berliner Tageszeitung junge Welt Die Kolumnen von Mumia Abu-Jamal erscheinen jeweils in der Wochenendausgabe der Tageszeitung junge Welt